Wir leben in turbulenten Zeiten. Unsere Welt verändert sich massiv und mehr denn je suchen wir daher nach Beständigkeit. Wir sehnen uns nach Sicherheit und zahlen dafür unbewusst den Preis der Monotonie.
„Wer hoch fliegt, kann tief fallen“ sagt uns das Sprichwort und so verzichten wir lieber auf die Höhen, denn die Tiefen ängstigen uns zu sehr. Seit Anbeginn der Menschheit hatten wir es noch nie so gut. Eigentlich haben wir alles, aber alleine die Tatsache, dass wir „eigentlich“ vor so eine Aussage setzen, sagt alles über unsere Gesellschaft aus. Wir leben in einem Sozialstaat und genießen den Luxus ein Netz zu haben, das uns auffängt. Wir können frei unsere Meinung äußern, unsere Träume verwirklichen und unser Leben so gestalten wie wir möchten. Wir sind frei und doch sind wir Gefangene. Gefangene unserer Ängste, die uns dazu bringen ein „eigentlich“ vor „uns geht es gut“ zu setzen. In sozialen Netzwerken proklamieren wir voller Inbrunst unsere Meinung, aber ducken uns im normalen Leben, wenn es darum geht Stellung zu beziehen. Wir überlegen zwei Mal, ob wir an öffentlichen Events teilnehmen, aus Angst vor Terror, der plötzlich allgegenwärtig zu sein scheint. Wir fliegen nicht mehr in einige Länder, da wir sie als gefährlich einstufen und wir zucken zusammen, wenn es irgendwo laut knallt, weil wir inzwischen gleich etwas sehr Schlimmes vermuten und uns dann doch freuen, wenn es nur eine große Mülltonne war, die durch den Wind umgekippt ist. Wir wechseln die Straßenseite, wenn uns nachts fremde Menschen begegnen, die anders aussehen als wir und wir vermuten hinter jeder Meldung eine Intrige. „Lügenpresse!“, schreien wir lauthals, aber geben uns dennoch nicht die Mühe, selbst zu recherchieren und uns für die Wahrheit stark zu machen. Wir sprechen nur mit Freunden darüber wie traurig unsere Welt geworden ist und dass man doch etwas tun muss – aber mit „man“ meinen wir die anderen und nicht uns selbst. Wann sollten wir das denn auch noch tun, neben dem Besuch all der veganen Food-Märkte, unserem Yoga Kurs und dem ganzen Gejammer, wie schlimm die Welt doch geworden ist. Solange wir selbst nicht betroffen sind, interessiert uns das Leid anderer nur peripher. Wir wechseln unser Profilbild bei Facebook und trauern bei einem Anschlag in London mit 12 Toten, aber kümmern uns nicht um die 300 Menschen in Syrien, die zeitgleich gestorben sind.
Wir schieben vieles auf morgen, weil wir im Irrglauben leben unsterblich zu sein und jagen aber zugleich der Zeit hinterher. Wir sind zu gespaltenen Persönlichkeiten geworden und dieser Prozess hat sich so langsam in unser Leben eingeschlichen, dass wir es einfach hinnehmen und akzeptieren – die einen bewusst und die anderen unbewusst. Wir suchen nicht mehr die großen Gefühle, sondern geben uns mit weniger zufrieden und werden dadurch noch unzufriedener. Wir besuchen Seminare, machen Coachings und wollen uns doch so sehr weiterentwickeln, aber dann doch eher in der Theorie, weil in der Praxis müssten wir dafür unsere Komfortzone verlassen und das wäre irgendwie schon unbequem. Wir wollen Beständigkeit und Sicherheit, aber möglichst wenige Kompromisse und irgendwie soll alles gleich bleiben, aber doch anders sein. Wir beschäftigen uns so sehr mit dem Leben, dass wir dabei manchmal vergessen worum es im Leben eigentlich geht, nämlich darum einfach zu leben. Nur wer bereit ist die Tiefen in Kauf zu nehmen, kann die Höhen erreichen. Nur von dort oben aus erkennen wir die vielen Wunder dieser Welt. Nur dort oben können wir Gefühle empfinden, die unseren Atem zum stocken bringen – Liebe in einer Form, die uns zum Zittern bringt und unsere Sinne weitet. Doch lieber lassen wir uns unser Leben von unserer Angst diktieren – bleiben am Boden, damit der Fall weniger weh tut – geben keine Gefühle zu, um nicht verletzt zu werden – setzen unser Pokerface auf und legen noch ein paar Filter mehr über unsere Bilder, die wir dann voller Stolz posten um allen zu zeigen, wie gut es uns EIGENTLICH geht.
Doch wenn man einmal seine Angst überwunden hat und den Schritt wagt, sich traut den bequemen und gepflasterten Weg zu verlassen, erkennt man voller Stauen, wie wunderbar das Leben sein kann und zu was man fähig ist. Es ist, als ob der Schleier, der unbemerkt all die Jahre vor unseren Augen hing, wegfällt. Plötzlich sind die Farben viel bunter, die Musik berührt uns mehr und wir spüren das Leben in uns mit all seinen vielfältigen Möglichkeiten. Ja, aus der Höhe kann man tiefer Fallen, aber jeder Augenblick da oben ist es wert, denn wenn wir fallen, stehen wir wieder auf, mal schneller und mal langsamer.
Und egal wie lange dieser Prozess dauert, Wunden heilen!
Verpasste Chancen, ermüdende Monotonie, trostlose Tage und die Leere die sie unbemerkt in uns erzeugen, bis nichts mehr übrig ist von uns und unseren Träumen, heilt aber nie!